Das Projekt reagiert auf nachteilige Lebens- Berufs- und Bildung- Bedingungen für Binnenvertriebene* im Departement Noun in Kamerun, durch eine Reihe von zusätzlichen Bildungsangeboten. Es soll ihnen, wie auch weiteren benachteiligten Bevölkerungsgruppen Zugänge zu (Berufs)Bildung und Erwerbstätigkeit verschaffen. Projektmaßnahmen sind die bauliche und personelle Erhöhung der Kapazität einer bilingualen Grundschule, die Einrichtung eines Kompakt-Berufsbildungsganges im Schneiderei-Handwerk, Sprachförderung und Jugendberatung zu Ausbildungsmöglichkeiten. Es zeigt sich im Projektverlauf, dass man damit erfolgreich für bessere Bildung, weniger Armut und höhere Integration sorgen kann.

Kamerun steckt seit drei Jahren in einer tiefen Krise. Das Land, welches geteilt ist in sog. anglophone und frankophone Gebiete (d.h. mit Englisch bzw. Französisch als Kolonial-/Hauptsprache, neben den vielen Muttersprachen), gerät gebietsweise zunehmend in bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Wurzeln des Konflikts liegen in der Kolonialzeit, als die ehemalige deutsche Kolonie zwischen Frankreich und dem britischen Empire aufgeteilt wurde.

Nach der Erlangung der Unabhängigkeit Kameruns und einer Wiedervereinigung wurde die damals versprochene Dezentralisierung nie umgesetzt, stattdessen das aus der französischen Kolonialzeit übernommene zentralistische Regierungssystem der frankophonen Mehrheitsregionen beibehalten und in der Folge die anglophone Bevölkerung zunehmend politisch marginalisiert und sozial diskriminiert. Dies verband sich mit allgemeinen landesweiten Krisenphänomenen wie wirtschaftlicher Wachstumsschwäche, wachsender sozialer Ungleichheit, Schwächung des Institutionengefüges, Ansteigen der Korruption. In den somit doppelt krisenbetroffenen anglophonen Regionen provoziert dies seit Längerem Proteste.

2016 organisierten Aktivisten verschiedener ethnischer Zugehörigkeiten aus den englischsprachigen Gebieten, besonders Anwält*innen, friedliche Proteste gegen die Regierung und strebten damit eine Sezession des englischsprachigen Raumes an. Einige Separatist*innen wollten jedoch einen Schritt weiter gehen und riefen zur Radikalisierung auf. Die Staatsmacht reagierte mit exzessiver Gewalt, Ausgangssperren und Internetsperren in den Regionen Nordwest und Südwest des Landes. Alle Konfliktpartner*innen haben im Laufe der Eskalation massive Menschenrechtsverletzungen begangen. Die Separatist*innen legen weiterhin staatliche frankophone Institutionen, wie etwa Schulen, still. Wenn Kinder oder Lehrkräfte in Einzelfällen noch wagen, die Unterrichtsräume aufzusuchen, werden immer wieder Opfer von Entführungen.

Folter, Isolationshaft, Entführungen und Ermordung von Zivilist*innen seitens Regierungsorganen und seitens der Separatist*innen haben bereits über 500.000 Menschen in die Flucht getrieben. Viele Binnenvertriebene erreichen die angrenzende Region West (frankophon, geografisch östlich des Konfliktgebietes gelegen). Besonders hart trifft es Witwen, Frauen und ihre Kinder, wie auch Jugendliche, die oft allein unterwegs sind. Diese Ankunftsgebiete sind bereits stark überfordert mit der Aufnahme der hohen Anzahl an Vertriebenen. Es besteht kein System für eine koordinierte Aufnahme, die ankommenden Binnenvertriebenen sind also auf sich allein gestellt und ihre Ankunft stellt die Menschen vor Ort vor neue Herausforderungen. Insbesondere entstehen Interessenskonflikte zwischen Vertriebenen und Ortsansässigen bei der Verteilung von bereits knappen Ressourcen, oft kommt es daher zu Fremdenfeindlichkeit bei den Ortsansässigen gegenüber den Binnenvertriebenen. Da diese hier kaum eine Chance haben, eine Arbeit zu finden oder ihren Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, wächst bei ihnen Hoffnungslosigkeit an.

Tatsächlich haben Erwachsene, Kinder und Jugendliche trotz der kamerunischen Staatsangehörigkeit allgemein nur geringe Chancen für eine Inklusion in der frankophonen Gesellschaft. Alleinerziehende mit Kindern, wie auch unbegleitete minderjährige Vertriebene ohne vollständige Grundschulbildung gelangen häufig nur bis in die grenznahen Städte, so halten sich im Projektgebiet besonders viele im normalerweise von ca. 15.000 Personen bewohnten Stadtgebiet Bangourains auf. Da sie auf rein frankophonen Schulen massiv im Nachteil wären, konzentrieren sie sich auf bilinguale Schulen, insbesondere die staatliche bilinguale Grundschule. Hier sind die sehr begrenzten Räume so ausgelastet, dass schon von engagierten Eltern im Umkreis ihre privaten Wohnräume für Unterricht angeboten werden, was keine Dauerlösung sein kann und das Schulleben, wie auch die Qualität des Unterrichts einschränkt.

Ältere Binnenvertriebene erreichen auf der Suche nach Arbeitsmarktintegration das lokale Zentrum Foumban. Das Schneiderei-Handwerk erlaubt hier, relativ sicher eigenes Geld zu verdienen. In Foumban betreibt ADDC, lokaler Partner von AMK e.V., eine Berufsschule, an der seit 2017 Schneider*innen ausgebildet werden.

An mehreren Punkten knüpft das Projekt an und verbessert so für Kinder, Jugendliche und Erwachsene die lokalen Rahmenbedingungen:

  • Maßnahme 1: Erweiterung der Kapazität in einer öffentlichen bilingualen Grundschule in Bangourain und Begleitung der Eltern

Als Erweiterung wird ein zusätzliches Gebäude auf dem Schulgelände der Grundschule in Bangourain errichtet, in welchem zwei neue, voneinander abgetrennte Klassenräume Platz finden. Sie werden mit passender Einrichtung ausgestattet und ebenso werden die sanitären Anlagen ausgebaut. Vor Beginn des neuen Schuljahres 2020/21 werden ergänzende Lehrkräfte ausgewählt, davon mindestens eine Person mit englischer Hauptsprache.
Mit den Eltern von Geflüchteten Schüler_innen werden mehrere Treffen einberufen, während derer sie auf den Eintritt in die bestehende lokale Elterninitiative vorbereitet werden. Ebenso finden mehrere Termine mit den bisher in der Elterninitiative engagierten, ortsansässigen Eltern statt.
Dabei werden für die Wichtigkeit der Öffnung ihrer Strukturen für Neuangekommene und der schrittweisen Aufnahme der erweiterten Bildungsleistung in das Leistungsspektrum der Elterninitiative sensibilisiert und eine Härtefallregelung für Waisenkinder und besonders schwer getroffene Familien erarbeitet.

  • Maßnahme 2: Zusätzlicher geförderter Berufs-Ausbildungsgang auf Englisch an der Berufsschule in Foumban

In den Räumen der Schneiderei-Berufsschule in Foumban wird ein zusätzlicher Berufsausbildungsgang eingerichtet, der speziell auf die Bedarfe von Geflüchteten ausgerichtet ist und gleichzeitig Ortsansässigen Menschen aus benachteiligten Kreisen mit Interesse am Schneidereihandwerk und an einer Verbesserung der eigenen englischen Sprachkompetenz offen steht.
Der Ausbildungsgang wird komplett auf Englisch umgesetzt, ist praktisch ausgerichtet und ermöglicht eine zeitnahe Berufsausübung. Vermittelte Kompetenzen umfassen neben der eigentlichen Herstellung von Kleidung mit Marktreife auch die Fähigkeit, Nähmaschinen selbst zu reparieren, angewandte Mathematik für Schneiderei u.a. Kompetenzen, die in einer Selbständigen Tätigkeit von Nutzen sind. Der bereits nach 10 Monaten vorgesehene Abschluss kann optional als Basis für den staatlich zertifizierten Berufsbildungsgang, der weiterhin aus französisch stattfindet, dienen.
Die Absolvent_innen erhalten eine Erstausstattung zur Berufsausübung, bestehend aus einer Nähmaschine und grundlegenden Werkzeugen. Alle Auszubildenden sind von Ausbildungsgebühren befreit.

  • Maßnahme 3: Französisch-Sprachkurse

Unter professioneller Leitung werden zwei geförderte Französisch-Sprachkurse zur kostenbefreiten Teilnahme durch insgesamt 70 Personen angeboten. Die Kurse sind ausgerichtet auf berufliche und Alltags-Situationen und wenden sich an Jugendliche, wie auch Erwachsene.
Das Sprachkurs-Angebot richtet sich nicht nur an Binnengeflüchtete, sondern auch an benachteiligte Ortsansässige, die normalerweise mehr auf Muttersprachen kommunizieren und ihr Französisch als Verkehrs- und Bildungssprache verbessern wollen.

  • Maßnahme 4: Bildungs- und berufs-orientierende Beratung und Vermittlung

Als Angebot, das direkt auf die überfordernde und desorientierte Lebenssituation der Geflüchteten eingeht, wird eine erfahrene sozialpädagogische Fachperson bereitgestellt, die in einem Beratungsbüro an der Berufsschule mindestens 2-malig pro Woche zum Beratungsgespräch bereit steht.
Zentrale Inhalte der Beratung sind Möglichkeiten der Berufsbildung und anderer weiterführender Bildungsangebote, und die allgemeine individuelle Berufsorientierung. Je nach persönlichen Bedarfen der inanspruchnehmenden Personen können auch Methoden zum Erkennen der eigenen Stärken und Schwächen und zur Reflexion möglicher Tätigkeitsfelder zur Anwendung kommen.
Die persönliche Zukunftsplanung wird durch Kenntnisse lokaler Weiterbildungs- Erwerbschancen fokussierter. Dazu werden ortsansässige Unternehmen durch den/die Berater_in kontaktiert, und angeregt, die Beratungs-Klient*innen in ihre Betriebe einzuladen, zum gegenseitigen Kennenlernen, und um praktische Orientierung über Tätigkeitsfelder und die dazu nötigen Ausbildungen zu vermitteln.

Zum Projekt wird ein Infoflyers auf Englisch mit Angabe der Beratungszeiten produziert und verteilt.

* Nach Rücksprache mit Angehörigen der Zielgruppe sprechen wir im Fall Kameruns nunmehr von Vertriebenen statt von Geflüchteten. Im Projekttitel konnte sich diese Anpassung nicht mehr niederschlagen.

Das Projekt wird von der Stiftung Nord-Süd-Brücken im Auftrag des BMZ gefördert.

Stiftung Nord-Süd-Brücken – Wikipedia BMZ | ELAN-RLP